Im Kontext der Diskussion um "Entspannungs-Massage" wird darauf hingewiesen, dass sie in Richtung

 

SYSTEMISCH - KOORDINATIVER MASSAGE

weiterentwickelt werden sollte ...

 

WEIL -NACH MEINEN BEOBACHTUNGEN- ENTSPANNUNG DANN AM BESTEN GELINGT, WENN EIN IN SEINER ANSPANNUNG VEREINZELTER MUSKEL WIEDER IN DAS NETZWERK DER UMGEBUNGSMUSKULATUR EINGEBETTET WIRD !

Bekannt ist diese Situation z.B. auch schon bei leicht skolioser Brustwirbelsäule mit Anspannung der Muskulatur auf einer Seite der Wirbelsäule ...

Häufig sieht sich dann der Masseur veranlasst, den angespannten Muskel zu bearbeiten ...

Die Frage ist freilich, ob das sinnvoll ist !

Sollte man -v.a. im Rahmen einer gesundheitsorientierten Behandlung- nicht doch systemisch, also den Muskel im  Kontext seiner Umgebung sehend, vorgehen?

Denn z.B. für Stress-bezogene Behandlung ist zu bedenken: "The stress system coordinates the adaptive response of the organism to stressors and plays an important role in maintenance of basal and stress-related homeostasis." (4)

 

Dementsprechend böte sich eine Behandlung an, die fundiert ist in einer

 

  • Theorie des Fließgleichgewichts [1]

Die literarische Beschreibung von "Fließgleichgewicht" in dem Gedicht "Der römische Brunnen" von Conrad Ferdinand Meyer mag zeigen, dass es dabei vielleicht doch zu "romantisch" zugeht: "In der 4. Version des Gedichts aus dem Jahre 1866 heißt es: '... Die Wasser steigen nieder/In zweiter Schale Mitte/Und voll ist diese wieder/Sie fluten in die dritte:/Ein Nehmen und ein Geben/Und alle bleiben reich/Und alle Fluten leben/Und ruhen doch zugleich.' (Art. "Fließgleichgewicht" in wikipedia; Abfr. 11.12.17)

 

Die Brauchbarkeit dieses Theorierahmens im Rahmen von Massage hängt v.a. an der Frage, wie dieses "Wechselspiel" im Falle seiner Störung (wieder) 'in Gang' gebracht werden kann ...

Es reicht eben nicht festzustellen, dass Störungen des Status quo sich in abweichenden Mengen der beteiligten Substanzen (zu viel oder zu wenig) zeigen.

Sondern - eben weil es um Therapie geht - wäre zu fragen, wie es zur Konstitution dieses Fließgleichgewichts kommt.

Da -soweit ich sehe- diese Frage im Rahmen einer Theorie des Fließgleichgewichts nicht beantwortet wird, schlage ich vor

 

  • im Rahmen einer "Theorie komplexer Systeme"[2, 3]

vorzugehen:

"Ein komplexes System ist ... ein System, dessen Eigenschaften sich nicht vollständig aus den Eigenschaften der Komponenten des Systems erklären lassen. Komplexe Systeme bestehen aus einer Vielzahl von miteinander verbundenen und interagierenden Teilen, Entitäten oder Agenten".

 

Eine solche auf Massage anwendbare "Theorie komplexer Systeme" sehe ich praktiziert u.a.

  • im "Tao der Akupressur und Akupunktur",  wie sie von Achim Eckert in seinem wegweisenden Werk (Verlag Karl F. Haug) beschrieben wird: darüber hinausgehend verwende ich im Rahmen meiner Heils-Massage die Tao-Systematik eben nicht nur im Rahmen von Akupunkt-Meridian-Massage, sondern auch  im Kontext von Klassischer Massage, von Manueller Lymphdrainage sowie bei Segment- und Fußreflexzonen-Massage.

In Weiterführung des "Meridian-Ziehens" bei der Akupunkt-Meridian-Massage nach Penzl erscheint der Hinweis angebracht, dass es nicht nur die therapeutische Arbeit an einem bestimmten Punkt, einem bestimmten Muskel, einem bestimmten Gewebs-Areal braucht, auch nicht bloß im Sinne einer Punkt-Kombination, sondern auch die Intervention zwischen den Muskeln, evtl. auch zwischen den Muskelfaserbündeln, evtl. auch zwischen Bindegewebe und Muskulatur, evtl. (siehe Segment-Massage) zwischen Organen und Haut, etc. ... .

  • in Atem-Techné: "Breathing is an exceptional function in that it is controlled both the ANS (autonomic nervous system) and the somatic or voluntary nervous system. (5) Some breathing occurs automatically all the time, and we cannot at will stop breathing all together. The ANS sees to that. But we can voluntarily change the rhythm as well as the depth of our breathing. Moreover, breathing is closely related to a number of functions governed soleley by the ANS, such as a heart beat, perspiration, and various mechanisms related to emotions." (5)

Dementsprechend ist es ein wichtiger Indikator für das systemische (auch ANS; heart beat ... emotions) Gelingen von Leib-Massage, wenn der/die KlientIn etwa 10 Minuten nach Massage-Beginn nicht nur in Bauch-, sondern auch in einen bestimmten Brust-Atmungs-Stil gekommen ist.

 

  • nach Liebscher und Bracht: "Beim Sitzen sind beispielsweise die Muskeln und Faszien im vorderen Körperbereich durch die angewinkelten Beine nicht gestreckt. Nehmen wir diese Position sehr häufig ein, passen sich diese Muskeln und Faszien, wenn sie nicht regelmäßig gedehnt werden, der Haltung nach und nach an. Sie werden immer unnachgiebiger und können, wenn wir uns nach dem Sitzen hinstellen, die nötige Streckung nicht mehr im erforderlichen Maße mitmachen. Liebscher & Bracht spricht hier von einer „Verkürzung“ der Muskeln und Faszien. [In einem anderen -auf den Oberkörper bezogenen- Fall] erzeugt die muskulär-fasziale Verkürzung im vorderen Körperbereich eine entsprechende Zugkraft nach vorne, da die nötige Streckung nicht ausgeführt werden kann. Um sich dennoch gerade hinstellen zu können, versucht der Körper, die Zugkraft nach vorne durch die Muskeln und Faszien im Rückenbereich wieder auszugleichen: Er baut eine über das normale Maß hinausgehende Gegenspannung auf. Nun herrscht sowohl im vorderen als auch hinteren Körperbereich eine Zugkraft durch die überhöhte muskulär-fasziale Spannung vor, welche die Gelenkflächen und Wirbelkörper so stark aufeinanderpresst, dass Verschleiß an Knorpel, Bandscheiben und Knochen entsteht." [6]

 


 


(1) siehe dazu: Art. 'Fließgleichgewicht' in wikipedia

(2) siehe dazu wikipedia Art. "Systemtheorie", Abfr. 11.12.17

(3) Dieser Ansatz bringt den Vorteil, nicht dazu zu verleiten, im Kontext von Lebendigem wie mit definierten Schachfiguren zu agieren (Siehe z.B. dazu Bemerkungen zur bewegungsabhängigen Kennzeichnung der Muskulatur als "Agonist" bzw. "Antigonist").

(4) Kaltsas Gregory A., Chrousos George P., The Neuroendocrinology of Stress, 316, in: Handbook of Psychophysiology, ed. Cacioppo John, Tassinary Louis G., Berntson Gary G.,  Cambridge University Press 2007, 3.Aufl., 303-318

(5) Björkquist Kaj, Ecstasy from a Physiological Point of View, 80, in: Religious Ecstasy, ed. Holm Nils G., Uppsala 1982, ISBN 91-22-00574-9, 74-86

(6) https://www.liebscher-bracht.com/ueber-uns/vision/